Unsichtbar,
bewegungslos und in den ersten Lebenstagen auch fast geruchslos: Das ist seit Jahrhunderten die Lebensversicherung junger Rehkitze. Nach der Geburt können sie Ihrer Mutter noch nicht schnell genug folgen, um notfalls auch Fressfeinden zu entkommen. Daher werden sie von ihren Müttern in den ersten Lebenstagen in deckungsreicher Umgebung abgelegt und immer nur kurz oder in der Dämmerung zum Säugen aufgesucht. Ansonsten verharren die Kitze regungslos in der Deckung, wo sie für Ihre Feinde praktisch nicht zu finden sind.
Dieses über viele Rehgenerationen entwickelte Konzept harmoniert aber nicht mit der heutigen modernen Grünlandbewirtung. Aus Sicht der Rehmütter ist eine hochgewachsene, dicht stehende Frühlingswiese ein idealer Platz um ihre Kitze sicher abzulegen. Sie wissen nicht, dass die Setzzeit ihrer Kitze mit der ersten Wiesenmahd im Frühling zusammenfällt, auf die wiederum der Landwirt bzw. dessen Viehbestand nach dem Winter dringend angewiesen ist. Nun wird die vermeintliche Sicherheit der Kitze zur Gefahr, denn aufgrund ihrer fast perfekten Tarnung sind sie in den Wiesen für den Maschinenführer so gut wie nicht auszumachen. Schätzungen zufolge fallen deutschlandweit in jedem Jahr fast 100.000 Rehkitze der Wiesenmahd zum Opfer.